Artikel erschienen am 25. Juni 2010, junge Welt
Krasse Form
Linke, Transen, Lesben, Schwule, Queers in Berlin – heraus zum Transgenialen CSD!
Von Dirk Hein
Morgen findet in Berlin-Neukölln der Transgeniale Christopher Street Day (CSD) statt. Die linke Opposition zum Mainstream-CSD, der voriges Wochenende über die kommerzielle Bühne ging. Bei dieser Massenveranstaltung sollte die international bekannte Philosophin und Gender-Theoretikerin Judith Butler einen »Preis für Zivilcourage« bekommen, was diese aber öffentlichkeitswirksam ablehnte und genau das aussprach, was linke Lesben, Schwule und Transgender am CSD schon seit Jahren kritisieren: Er ist karnevalesk, konsumorientiert und unpolitisch. Außerdem beteiligen sich Funktionäre der stets unbedeutender werdenden und biederen Mainstream-Homobewegung an antimuslimischer und rassistischer Stimmungsmache. Neben den Werbepartnern und Zehntausenden heterosexuellen Zaun- und Partygästen nimmt am normalen CSD kaum mehr ein Homo teil, der noch halbwegs mit Herz und Hirn ausgestattet ist.
Butler hatte den Organisatoren dieses bestenfalls nervigen Homo-Events vorgeworfen, daß ihnen »an der Auseinandersetzung mit dem eigenen Rassismus nicht gelegen« sei und damit in ein Wespennest gestochen. Die Funktionsträger des Berliner Homoklüngels gaben sich pikiert und wiesen den Vorwurf, gemeinsame Sache mit Rassisten zu machen, empört von sich.
Ausgerechnet Jan Feddersen, taz-Redakteur für besondere Aufgaben und von 2005 bis 2009 »politischer Koordinator« des Berliner CSD, warf Butler in seiner Hauspostille »eine krasse Form der Taktlosigkeit den Veranstaltern gegenüber« und »eine Täuschung in eigener Sache und die ihrer Gastgeber« vor. »In welcher Hinsicht der Berliner CSD im Gegensatz zum ›Transgenialen CSD‹ rassistisch sein soll, bleibt bis heute im dunkeln«, so Feddersen weiter. Dabei war es der taz-Redakteur selbst, der in der Vergangenheit pauschal Jugendliche islamischer Prägung als »öffentliche Gefahr« ausmachte und außerdem im offiziellen CSD-Programmheft von 2003 über einen »arabischen Mob« herzog.
Thomas Birk, schwulenpolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, bezeichnete die Kritik Butlers im Tagesspiegel als »Affront«, der fatal sei für das Image der Stadt. Tatsächlich fatal ist die Politik des selbsternannten Antigewaltprojekts »Maneo«, in dessen Vorstand Birks Partner Rudolf Hampel sitzt, das aufgrund seiner rassistischen Ausfälle gegen Migranten über die Grenzen Berlins hinaus bekannt wurde.
Judith Butler forderte auf dem CSD dazu auf, den transgenialen CSD zu besuchen, der auch von schwul-lesbischen Migrantengruppen wie den »Gays & Lesbians aus der Türkei« (GLADT) mitorganisiert wird. Unter dem Motto »Gewaltige Zeiten – Gewaltiger queerer Widerstand!« versteht sich die Veranstaltung als politische Demonstration. So besteht zumindest die Hoffnung, daß die linken Aktivisten ihren »gewaltigen Widerstand« nicht nur wie vorgesehen gegen Krieg, Rassismus, soziale Verdrängung und Ausgrenzung in Stellung bringen, sondern auch gegen Vetternwirtschaft und rassistische Stimmungsmache in der eigenen Community.
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