Montag, 21. Juni 2010

Judith Butler lehnt Berlin CSD Zivilcouragepreis ab!

JUDITH BUTLER LEHNT ZIVIL-COURAGE PREIS DES BERLINER CSD AB: „VON DIESER RASSISTISCHEN KOMPLIZENSCHAFT MUSS ICH MICH DISTANZIEREN“

Presseerklärung von SUSPECT zum 19. Juni



Als Berliner Queer und Trans-of-Colour-AktivistInnen und Verbuendete begrüßen wir die Entscheidung Judith Butlers, den Zivilcouragepreis des Berliner CSD e.V. abzulehnen. Wir freuen uns, dass eine renommierte Theoretikerin die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihr zu Gute kommt, nutzt, um Queer-of-Colour-Kritiken gegen Rassismus, Krieg, Grenzen, Polizeigewalt und Apartheid zu würdigen. Wir schätzen vor allem ihren Mut zur Kritik und Skandalisierung der Nähe der Veranstalter zu homonationalen Organisationen. Ihre couragierte Rede ist nicht zuletzt auch das Resultat ihrer Offenheit für neue Anstöße, und ihrer Bereitwilligkeit, sich mit unserer jahrelangen aktivistischen und akademischen Arbeit auseinanderzusetzen, die allzu oft isoliert, prekarisiert, angeeignet und instrumentalisiert wird.

Dies ist auch jetzt schon wieder zu bemerken, denn die People of Colour Organisationen, die ihrer Meinung nach den Preis eher verdient hätten als sie, werden in sämtlichen bisherigen Presseberichten mit keinem Wort erwähnt. Butler bot den Preis laut und deutlich GLADT (www.gladt.de), LesMigraS (www.lesmigras.de), SUSPECT und ReachOut (www.reachoutberlin.de) an, doch die einzige politische Veranstaltung, an die sich Leute erinnern, ist eine weiß dominierte - der transgeniale CSD. Statt Rassismus konzentriert sich die Presse auf eine plumpe Kommerzialismuskritik. Dabei drückte sich Butler ganz klar aus: „In diesem Sinne muss ich mich von der Komplizenschaft mit Rassismus, einschließlich anti-muslimischem Rassismus, distanzieren.“ Sie stellt fest, dass nicht nur Homosexuelle sondern auch „bi, trans, queere Leute benutzt werden können von jenen, die Kriege führen wollen.“

Vorgestellt wurde Butler von Renate Künast (Bündnis 90 / Die Grünen) – Laudatorin mit deutlichen Schwierigkeiten, sowohl den Namen der Preisträgerin auszusprechen als auch die Kernaspekte ihrer Schriften zu erfassen, und zwar als beharrliche Kritikerin. Bei den Moderatoren Jan Salloch und Ole Lehmann bewirkte ebendiese Kritik jedoch Gesichtsentgleisung. Anstatt sich in irgendeiner Art mit der Rede auseinanderzusetzen, fiel ihnen nichts anderes ein, als den Vorwurf des Rassismus weit von sich zu weisen und die ca. 50 Queers of Colour und Verbündete, die zu Butlers Unterstützung gekommen waren, mit den Worten zu beschimpfen: „Ihr könnt so laut schreien, wie Ihr wollt, Ihr seid nicht die Mehrheit. Es reicht.“ Dem folgt die zur Kulisse des Brandenburger Tors passende Imperialismusphantasie: „Der CSD macht einfach weiter in seinem Programm.. egal was ist.. weltweit und auch hier in Berlin.. So wird es immer sein und so bleibt es auch.‘

Rassismus ist in der Tat in den vergangen Jahren der rote Faden internationaler CSD-Veranstaltungen, von Toronto bis Berlin, sowie auch der weiteren schwullesbischen Landschaft. Das Berliner CSD Motto 2008: ‚Hass du was dagegen?’ Homophobie und Transphobie werden hier als Probleme von Jugendlichen of Colour umdefiniert, die anscheinend nicht richtig Deutsch können, deren Deutschsein immer hinterfragt bleibt, und die schlicht nicht dazugehören. 2008 ist auch das Jahr, in dem der Hasskriminalitätsdiskurs Einzug in die deutsche Sexualpolitik hält. Dieser Aktivismus war bis dato in Deutschland kaum bekannt. Dennoch wurde Hassgewalt genau deshalb so schnell eindeutscht, weil ja bereits klar war, wer der hasserfüllte kriminelle Homophob ist: Migranten, die eh schon als kriminell gelten und immer leichter ins Gefängnis kommen und auch abgeschoben werden können. Diese Moralpanik wird von dubiosen Medienpraxen begleitet und von sogenannten wissenschaftlichen Studien „belegt“: Wo jeder Fall von Gewalt, mit dem eine homosexuelle, bisexuelle oder Transperson irgend etwas zu tun hat – egal ob der vermeintliche Täter weiß oder of Colour ist, und egal, ob der Hintergrund Homophobie, Transphobie, oder eine Verkehrsstreitigkeit ist, als der neueste Beweis von dem in Umlauf gerät, was wir eh schon alle wissen: Dass Homos (gerade anscheinend weiße Männer) es am allerschwersten haben, und dass ,die homophoben Migranten‘ die Hauptursache hierfür sind. Diese mittlerweile unhinterfragte Wahrheit ist nicht zuletzt auch die Frucht der Arbeit homonationalistischer Organisationen wie dem LSVD und Maneo, deren enge Zusammenarbeit mit dem CSD Butler zur Ablehnung des Preises bewog. Diese Arbeit besteht v.a. aus Medienkampagnen, die Migrant/innen immer wieder als ‚archaisch‘, ‚patriarchal‘, ,homophob‘ und gewalttätig darstellen, und People of Colour in Deutschland als unintegrierbar abstempelt. Dennoch erhält eine dieser Organisationen nunmehr öffentliche Gelder, um People of Colour vor Rassismus schützen. Der ,Regenbogenschutzkreis – Schöneberg gegen Rassismus und Homophobie’ wurde von offizieller Seite prompt mit einer Polizeiverstärkung begrüßt. Als Anti-rassistInnen wissen wir leider zu gut, was mehr Polizei (ob gleichgeschlechtlich oder nicht) in einem Viertel, wo auch viele People of Colour leben, bedeutet – gerade zu Zeiten des „Kriegs gegen den Terror“ und der „Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit“.

Genau diese Tendenz weißer schwuler Politik, eine Politik der Solidarität, der Bündnisse und der radikalen Transformation durch eine der Kriminalisierung, Militarisierung und Grenzziehung zu verdrängen, skandalisiert Butler, wohl auch infolge der Kritik und der Schriften von Queers of Colour. Im Gegensatz zu vielen weißen Queers hat sie dafür ihren eigenen Nacken hingehalten. Für uns war dies in der Tat eine mutige Entscheidung.


SUSPECT

20. Juni 2010.


SUSPECT
Wir sind eine Gruppe von Queer und Trans Migrant/innen, Schwarzen Leuten, People of Colour und Verbündeten. Unser Ziel ist es, die Effekte von Hassgewaltsdebatten kritisch zu beobachten und Communities aufzubauen, die frei von Gewalt in all ihren zwischenmenschlichen und staatlichen Ausprägungen sind.

22 Kommentare:

  1. Wie kann man bitte ernsthaft darauf kommen, dass das Motto "Hass du was dagegen?" ein Angriff auf Migranten sein soll?

    Es tut mir leid, wenn ihr euch nicht weiter missverstanden fühlen könnt, aber es ist verdammt noch mal ein Wortspiel. Nicht mehr

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  2. Sie stellt fest, dass nicht nur Homosexeulle sondern auch „bi, trans, queere Leute benutzt werden können von jenen, die Kriege führen wollen.“

    Ja, auch Bäume und Sträucher können von jenen, die Kriege führen, benutzt werden. Und Kugelschreiber, alte Schrippen und Duschhauben!

    Nicht zu vergessen Mickey Mouse als Büttel es militärisch-industriellen Komplexes!

    Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn...

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  3. Ich danke euch für den Artikel!! Ich lese diesen diesen Beitrag als eine enorm wichtige Erhebung von _of Color Positonen_Stimmen und somit auch meiner Position_Stimme. Ich unterstütze jedes einzelne Wort.

    Frauke Heidenreich

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  4. Wirklich absurd finde ich von ModeratorInnen eines CSDs Kritik zurückzuschmettern mit dem Satz "Ihr seid ja nicht die Mehrheit hier!"

    So dämlich muss man sich mal anstellen.
    Da kann man ja gleich alle Gleichstellungen
    und Anti-Diskriminierungsbestimmungen der letzten
    Jahre zurücknehmen, schließlich werden wir nie die Mehrheit sein in diesem Land...

    Ich finde damit haben sie wunderbar bestätigt von was Judith Butler & Co. sprechen: von weißen männlichen Homosexuellen, die übersehen worauf es eigentlich ankommt, weil sie sich selbst einen gewissen Status in der Gesellschaft wiedererschafft haben.

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  5. vielen Dank für Eure schnelle Stellungnahme und die Kritik an der Mediendiskussion. es ist bezeichnend, dass der kern von butlers wichtiger intervention, die rassismus-kritik, schon wieder runtergespielt wird. ich hoffe, dass durch ihren akt der zivilcourage ;) dieses thema endlich mal breiter diskutiert wird, vermute aber, s. meine vorredner, dass man weiterhin seine weißen (homo) privilegien verteidigen wird. zumindest ist es selten und gut, dass es nun mal ein rollenvorbild gibt dafür, dass man sich auch als weißer queerer mensch wie judith butler mit queers of color solidarisieren kann, auch wenn es problematisch bleibt, dass dieselbe kritik von queers of color und weniger prominenten leuten geäußert kaum aufmerksamt erhält. ich hoffe, dass sich mehr menschen, denen daran gelegen ist, gegen sämtliche formen von unterdrückung (nicht nur die eigene) zu stellen, und nicht eine diskriminierungsform gegen die andere auszuspielen, sich eurer kritik anschließen und weiße ihre eigenes umfeld damit konfrontieren.

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  6. Als erstes moechte ich mich sowohl bei Judith Butler (Renate, das ist doch WIRKLICH nicht sooooo schwer auszusprechen!) als auch bei allen mitwirkenden Personen bedanken.
    !!!!!!!!!!!!!RESPEKT!!!!!!!!!!!!!

    zu UweB:
    Mit anderen Worten muessen wir eigentlich froh (und vor allem DANKBAR!) sein fuer das, was wir bis jetzt (an Zugestaendnissen) bekommen haben.
    TRAURIG!!

    Zu dem Anonymen:
    Wie du bereits richtig erwaehnt hast, handelt es sich hier um ein Wortspiel und wie es bei Wortspielen so ueblich ist, entweder man versteht sie, oder eben nicht.
    DU hast es eindeutig NICHT verstanden!

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  7. Liebes SUSPECT-Team,
    erstmal danke für eures Statment zur Ablehnung des Preises Butlers, die ich ebenfalls begrüße. Zur Info nahm Angela Davis heute mittag eine klare Stellungnahme dazu, indem sie die Ablehnung des Preises durch Butler warm begrüßte und u.a. den Kampf gegen Rassismus innerhalb der LGBT Bewegungen unterstüzte. Also weiter so!
    LG
    Daniele

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  8. allein an den reaktionen des csd-schützenvereins und der Künast wird deutlich, dass Butler richtig gehandelt hat!

    wieviel pillen muss man schlucken, um beim csd auf dem wagen der cdu mit einer deutschlandfahne um den hals halbnackt tanzen zu können? gut die pillen sind auch egal. nur hinterher sollte man sich nicht einbilden, man sei auf einer politischen demo gewesen.

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  9. Toller Artikel, danke. Ich habe von dem "Eklat" nur über SpiegelOnline und Tagesspiegel.de erfahren und dort werden die eigentliche Kritik Butlers an rassistischen Tendenzen innerhalb der von ihr genannten Organisationen gar nicht erwähnt.

    Am Ende des Berichts habe ich dann auch verstanden, was "of Colour" heißt. Vielleicht sollte ihr das ganz zu Beginn mal erklären, da mir dieser Neologismus vollkommen neu war...

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  10. Welchen Stellenwert hat dieser CSD, die große Parade in Berlin? Kann man bei der Veranstaltung noch von einer Demonstration reden oder ist es nicht mehr oder weniger als eine Parade, eine große Party zwischen Café Kranzler und Siegessäule.
    Wir fordern von der Gesellschaft und den Parteien mehr Rechte für uns und geben diesen Massenorganisationen einen Raum um für sich zu werben auf unserem Event.
    Da fährt auf dem Berliner CSD ein Wagen der CDU. Vorher redet ein Politiker von deren Wagen runter wie schön die Welt ist aber in Baden Würtemberg dürfen Homosexuelle nicht auf dem Standesamt eine Partnerschaft eingehen, dort muss man auf das Ordnungsamt! Wo die Gesellschaft ihr Strafzettel bezahlt, heiraten unsere queeren Freunde in dem Bundsland, dank der CDU.
    Dann kann ich mich noch an einen CSD erinnern in Berlin, da fuhr eine Videoproduktion die Barebackpornos produziert und vertreibt hinter einem Jugendverein. Den CSD e.V. störte das nicht, im Gegenteil - Geld stinkt ja nicht.

    Danke aber politische Themen werden da schon lange nicht mehr gefordert. Wenn sogar schon Heteros sagen das auf dem Transgenialen CSD mehr gefordert wird, dann sollte sich die "Karnevalveranstaltung" einen Kopf um ihr Image machen. Entschuldigung aber welche Demonstration kann Sponsoren wie Berliner Pilsner & Co aufweisen.

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  11. Dankeschön!!! Endlich!!!!! Das war überfällig! Allein schon die Schnapsidee, die u.a. in dieser Hinsicht völlig unbedarfte und unbeleckte Renate Künast die Laudatio halten zu lassen zeigt, wes Geistes Kind die CSD-Organisatoren sind. Und deren in diesem Blog geschilderte Reaktion auf die Butler-UnterstützerInnen, ist, wenn es denn so stimmt (ich war nicht dabei), eine SCHANDE!!

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  12. ich freue mich, dass butler sich so entschieden hat, und danke suspect für die erklärung!

    zu den ersten beiden kommentaren: woran hier kritik geübt wird ist doch nicht butlers/suspects erfindung! sie kritisieren rassismus, krieg und die zuschreibung von homophobie auf people of color, und ihre dethematisierung und beteiligung daran z.b. auf dem csd.

    und ja, in zeiten in denen die integration ins militär ein gleichstellungserfolg ist und kriege pseudo-feministisch mit frauenbefreiung etc. legitimiert werden, ist es tatsächlich eine wichtige frage, wie 'wir' uns daran beteiligen, positionieren oder benutzen lassen.

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  13. jetzt wo alles so richtig in feierstimmung geraten ist, merkt man hoffentlich warum judith butler nicht aus den fenstern hängt oder an hupenden autos vorbeiflattert

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  14. Ich gehe seit Jahren nicht mehr zum CSD, einfach weil ein falsches Bild der Schwulen und Lesben in der Öffentlichkeit erzeugt wird: alle sind schrille Vögel, die nur Feiern und F***en im Sinn haben. Der usprüngliche Gedanke "Demo für Toleranz" ist - auch wenn es immer wieder ein entsprechendes Motto und Politiker als Schirmherren gibt - völlig in den Hintergrund gerückt.

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  15. Judith Butler hat den Zivilcouragepreis verdient, denn sie hat unbestreitbare Verdienste für eine grundlegende Kritik an der Heterosexualität als Norm gesellschaftlicher Verhältnisse. Wir haben Sie als kritische Intelektuelle eingeladen und von daher mussten wir mit Kritik rechnen. Doch ihre Kritik des Nationalismus und Rassismus durch „Teile der Mitveranstalter“ irritiert uns. Der CSD hat nur einen Veranstalter, den Berliner CSD e.V. repräsentiert durch die vier Vorstände. Thema, Motto und Forderungen werden im CSD-Forum basisdemokratisch bestimmt. Dies ist bundesweit einzigartig.
    Der Berliner CSD wendet sich stets gegen jede Form des Rassismus und Antisemitismus. Wir freuen uns über das schwenken israelischer Fahnen auf dem CSD, anders als beim Transgenialen CSD in Kreuzberg.
    Da Frau Butler noch bis zum 12. Juli in Europa weilt, werden wir mit ihr das Gespräch suchen, damit sie die Vorwürfe konkretisieren kann. Wir haben sie bereits kontaktiert. Wir werden auch das Gespräch mit den von ihr benannten Gruppen suchen, einige Gespräche sind sogar schon erfolgt.
    Schade finden wir, dass wir diesmal mit Thema und Motto ein klares Bekenntnis für die Menschenrechte von Trans* und Intersexuellen abgeben wollten. Ammo Recla, ABQueer, sprach auf der Bühne über Transrechte im Berliner Akzeptanzplan. Dieses Thema fiel nun durch Butlers Eklat nach hinten.
    Der Berliner CSD lebt von der Community, deshalb werden nach dem Sommerloch wieder die gesamte Community zu einem Forum einladen. Wir hoffen, das LesMigras, Suspect, die Lesbenberatung (die im übrigen den Zivilcouragepreis vor drei Jahren vom Berliner CSD erhalten) und viele andere an einer interessanten Debatte zu Inhalt und Form des nächsten CSD teilnehmen.
    Bodo, Vorstand Berliner CSD

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  16. Achja Bodo... peinliche Vorstellung. Da wird wieder eure autoritäre Grundhaltung klar. Jetzt wo euch diiiieeee Judith Butler das gesagt hat, was seit Jahren (um nicht zu sagen fast Jahrzenten) auch von schwul-lesbischen-queer MigrantInnen, Linken, KriegsgegnerInnen usw. kritisiert wird, da sucht ihr plötzlich den Dialog. Angesichts eures nach der Preisablehnung offen gemachten "Mehrheitsrechts" kann ich mir schon gut vorstellen, wie der Dialog aussehen wird... haha.

    Ihr seid nicht der Rahmen für Kritik ihr seid der Gegenstand der Kritik!!

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  17. Lieber Bodo vom Vorstand des Berliner CSD,
    Opferkonkurrenzen zu inszenieren und Hierarchisierungen von Opressionen zu vollführen geht in die falsche Richtung, vor allem wenn dies nur dazu dienen soll, einen Rassismusvorwurf zu entschärfen und ernsthafter Auseinandersetzung mit Rassismus in den "eigenen Reihen" zu entgehen.
    Das Postulat, sich "stets gegen jede Form des Rassismus und Antisemitismus" zu wehren allein ist noch lange keine antirassistische Praxis.
    Warum nehmt ihr Butlers Statement nicht ernst und nutzt die Chance, die Kritik an "queeren" Rassismen und Ausgrenzungsmechanismen, die ja schon seit JAHREN, vor allem von Queers of Colour, vorgebracht wird (eine auszugsweise und keineswegs vollständige Bibliografie der Kritiken enthält z.B. dieser Artikel: http://www.genderwiki.de/index.php/Queere_Rassifizierung ) zu diskutieren und daran zu arbeiten Differenzen innerhalb eurer "Zielgruppe" als Fakten zu akzeptieren…?

    Katrin M. Kämpf

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  18. Vielen Dank an SUSPECT für dieses Statement. Wie so viele andere hier bin ich auch sehr froh, dass Judith Butler den Anstand und Mut hatte, den Preis abzulehnen und den Rassismus des CSD (und ihm nahestehender Organisationen) anzuprangern.

    @Daniele: Was für eine aufmunternde Nachricht, dass Angela Davis ihre Unterstützung ausgesprochen hat. (Gibt es davon zufällig ein Video, oder mehr Info?)

    @einigen Anonymen, die anprangern, dass der CSD nicht politisch ist: Der CSD ist als Organisation sehr wohl ein politischer Akteur, und steht anderen politischen Akteuren (wie dem Lesben- und Schwulenverband und Maneo) nahe. Die entscheidende Frage ist, WELCHE Politik betrieben wird - welche Visionen, welche Ziele, Strategien, Bündnisse, und so weiter. Den CSD einfach als "unpolitisch" anzuprangern greift zu kurz und lenkt vom Problem des Rassismus ab. Es geht nicht um ein mehr oder weniger an Politik (als ob "Politk" immer automatisch gute Politik bedeutete), sondern, wie die SUSPECT Presseerklärung es treffend ausdrückt, um den Unterschied zwischen einer Politik der Solidarität, der Bündnisse und der radikalen Transformation und einer Politik der Kriminalisierung, Militarisierung und Grenzziehung.

    Bezüglich des Statements von Bodo, Vorstand Berliner CSD möchte ich nur anmerken dass es keine gute Idee ist, antirassistische und Trans und Intersex Themen gegeneinander auszuspielen. Die Freude über das Schwenken israelischer Fahnen ist auch kein Zeugnis einer Haltung gegen Rassismus und Antisemitismus. Ich hoffe, dass sich Vertreter_innen des CSD sowie des LSVD und Maneo und eine breitere Öffentlichkeit selbstkritisch mit der sehr substanziellen Kritik auseinandersetzen und sich ändern, anstatt sich auf haarspalterische semantische Duelle vorzubereiten (Ich glaube nicht, dass Judith Butler ihre "Vorwürfe konkretisieren" muss, damit so eine Auseinandersetzung erfolgen kann) oder heuchlerisch zu lamentieren, dass "der Eklat" Trans und Intersex Themen die Show gestohlen hat. Das wäre mein guter Rat.

    Solidarische Grüße an SUSPECT,
    Johanna Rothe
    Oakland und Berlin

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  19. RESPECT Judith Buttler und RESPECT SUSPECT

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  20. Ich möchte auch meinen tiefen respekt für Judiths statement ausdrücken
    ich bin glücklich :))

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  21. Queere Berliner Szene in Aufruhr?!
    Judith Butler lehnt Zivilcourage-Preis ab

    Judith Butler hat den Zivilcourage-Preis des Berliner CSD e.V. abgelehnt und in ihrer Rede große Anerkennung für die Arbeit von GLADT, LesMigraS, SUSPECT und ReachOut zum Ausdruck gebracht. Mit ihrer couragierten und qualifizierten Arbeit leisten die Genannten wesentliche Beiträge zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt. An dieser Stelle möchte auch ABqueer seinen Respekt für die Leistungen von GLADT, LesMigraS, SUSPECT und ReachOut ausdrücken. Lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche, intersexuelle und queere Menschen of Colour/mit Migrationshintergrund und deren Verbündeten sorgen seit langem auf wissenschaftlichen, künstlerischen und politischen Wegen für die Wahrnehmbarkeit von Mehrfachzugehörigkeit und Mehrfachdiskriminierung. Diese Beiträge werden häufig ignoriert und diffamiert, Queers of Colour und Queers mit Migrationshintergrund wird häufig Kompetenz abgesprochen und Unterstützung entsagt, wenn sie Rassismen und Ausschlüsse innerhalb der queeren Szene kritisieren. Judith Butler hat einen anderen Umgang gewählt. Sie hat ihre Position genutzt, um an prominenter Stelle eine deutliche Kritik an rassistischen Strukturen der weißen Mehrheitsgesellschaft zu üben und deren Ausschlussmechanismen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.

    Butlers Rede hat unterstrichen, dass die Positionierung gegen Rassismus und Migrationsfeindlichkeit ein notwendiger Bestandteil des Kampfes gegen Homo- und Transphobie ist. Ein Gewährenlassen von Gewalt jeglicher Form ist inakzeptabel für Bewegungen, die sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung wenden. Queere Politiken bauen auf Bündnisse der Vielfalt und Verschiedenheit, die nur funktionieren können, wenn diese Vielfalt wahrgenommen, reflektiert und wertgeschätzt wird. Dazu ist es nötig, die immanenten Ein- und Ausschlussmechanismen zu reflektieren und immer wieder neu zu verhandeln, statt die Positionen von Minderheiten und Mehrheiten zu wiederholen und festzuschreiben. Und dazu ist es ebenso nötig, die Vielfalt zu repräsentieren, ihre verschiedenen Stimmen hörbar werden zu lassen und die Verteilung von Einfluss und Gestaltungsmacht tatsächlich zu pluralisieren.

    Wir hoffen, dass dieses Ereignis die kritische Auseinandersetzung darüber befördert, wie wir uns gemeinsam gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt und für die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt einsetzen können. In der Aufruhr liegt die Chance, einen gesellschaftlichen Dialog zu führen, der alle Akteur_innen vor große Herausforderungen stellt, aber wenn er gelingt einen ebenso großen Gewinn verspricht: Respekt für Vielfalt.

    Für ABqueer e.V.
    Stefanie Ullrich, Ammo Recla

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  22. Leider keinen Satz zur extremsten Form von Rassismus - systemgesteuerte Apartheid!

    Aber es gibt auch andere Beispiele nämlich:

    - QuAIA - Queers against Israeli apartheid!
    http://queersagainstapartheid.org

    - Palestinian Queers for BDS - Boycott, Divestment & Sanctions!
    http://pqbds.wordpress.com

    Am Beispiel von QuAIA in Toronto können wir gut sehen, wie eine Politisierung der LGBT Community aussehen kann.
    QuAIA sollte in diesem Jahr vom CSD (leider heißt die Demo nur noch selten so), also vom Toronto Pride ausgeschlossen werden, bzw. das Wort Israeli Apartheid.

    Aber die LGBT GenossInnen haben gekämpft und sehr gute Aktionen gemacht und sich ihr Recht zurückgeholt...
    Am 4. Juli 2010 waren sie ein noch größerer Block als beim Pride 2009.

    My deep respect!
    Not in our name - stop "pinkwash" on Israeli's injustice policy and crimes against humanity!

    Hier drei schöne Dokumentationen:

    Queers Against Israeli Apartheid at the 2009 Toronto Pride parade (their statements...)
    http://www.youtube.com/watch?v=Id1n2Zag1Rs

    QuAIA + Pride Toronto = Bad Romance (they fought it out...)
    http://www.youtube.com/watch?v=GBS719b0uSo

    Pride Toronto - QuAIA (2010 - they won against the censorship...)
    http://www.youtube.com/watch?v=hTB0zimBlHE

    Leider fehlt in einigen Ländern in der Queer Szene die transnationale Sicht und Auseinandersetzung, sonst wäre es wohl auch in Deutschland Thema und die politischen LGBT (und andere Gruppen) müssten sich auch zur israelischen Besatzungs- und Apartheidpolitik positionieren... (geschieht auch mit der Unterstützung der deutschen Politik.)

    Der "Gay Tourismus" nach Israel schaut gerne weg und unterstützt somit das Apartheidsystem!

    Harvey Milk ist im Kampf für "gleiche soziale Rechte für alle, überall!" gestorben. (und hat sich in diesem auch erst politisiert.)
    LGBT Rechte sind genauso Menschenrechte wie Frauenrechte, Rechte von MigrantInnen... etc.
    Harvey wurde mit den Stimmen der unterdrückten ArbeiterInnen zum Bügermeister von San Fransisco gewählt... die Gewerkschaften hatten zu seiner Wahl aufgerufen und ihn gewählt... nicht weil sie alle so queer-freundlich waren, sondern weil im Kampf für gleiche Rechte und gegen Unterdrückung, das Bewusstsein bei den Menschen gewachsen ist und sich verändert hatte. Harvey wurde von seinen WählerInnen als einer von ihnen betrachtet.

    Wir sollten uns daran erinnern und die Queer Anliegen politisch weiterentwickeln...

    Was nutzen uns Gesetze, wenn sich im gesellschaftlichen Denken zu wenig ändert?
    Wenn es darum geht, vom bestehenden System anerkannt zu werden, heißt das auch Teil dieses Systems zu werden. LGBT zu sein allein, macht noch kein Politikum... sondern das soziale Engagement für Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung. Im Kapitalismus gibt es aber keine Gerechtigkeit... dies gilt es zu analysieren und in Kontexte zu stellen.

    Best regards - beste Grüße
    Queers against Israeli apartheid... and against injustice everywhere!
    Gegen Kapitalismus und Patriarchat - der Kampf um Befreiung ist international!

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